Im Jenaer Stadtrat gab es im August 2025 wieder eine sehr kuriose Vorlage. Es wurde über einen Einwohnerantrag entschieden, der vom Stadtentwicklungsdezernenten eingereicht wurde und vom Oberbürgermeister unterschrieben war. In diesem sogenannten Einwohnerantrag wurde auch das komplette Gegenteil dessen angesetzt, was die Bürger in ihrem eigenen Antrag gefordert hatten (den Erhalt der Buslinie 42). Der eigentliche Einwohnerantrag mit dem, was die Bürger gerne in den Stadtrat gebracht hätten, war nur als Anlage angehängt und nicht teil der eigentlichen Beschlussvorlage.
Diese Vorgehensweise ist nicht neu. Bei den Einwohneranträgen in den letzten Jahren wurde in der Regel nicht über den Antrag der Einwohner im Originaltext entschieden, sondern über eine Beschlussvorlage des Oberbürgermeisters, die meistens nicht mit der Zielrichtung der Bürger übereinstimmte. In Jena wird aus einem Einwohnerantrag also in der Regel ein Antrag des Oberbürgermeisters.
Hintergrund für diese ist die Formulierung des Einwohnerantrages in den Gesetzen. Dort ist nur allgemein von der Angelegenheit der Einwohner die Rede, über die verhandelt werden muss.
Die Einwohner können beantragen, dass der Gemeinderat über eine gemeindliche Angelegenheit, für deren Entscheidung er zuständig ist, berät und entscheidet (Einwohnerantrag).
Formal kann dieses Vorgehens durchaus richtig sein – richterliche Entscheidung, wie man vorgehen muss gibt es bisher in diesem Bereich noch nicht. Es ist allerdings auch kein Zwang. Die Thüringer Kommunalordnung schreibt also nicht vor, dass ein Oberbürgermeister die Beschlussvorlagen ins Gegenteil verkehren muss.
In anderen Städten wird dies daher auch anders gehandhabt. In Gera finden sich die Einwohneranträge im originalen Text im Stadtrat und werden dort auch so behandelt. In Weimar gibt es in einigen Beiräten sogar die Möglichkeit, direkte Themen per Einwohnerantrag auf die Tagesordnung zu setzen.
Der Sonderweg in Jena, dass der Oberbürgermeister Bürgeranträge durch eigene Beschlussvorlage ersetzt, ist also eher die Ausnahme. Generell entspricht die Vorgehensweise aber nicht dem, was Bürger von einem solchen Antrag erwarten. Wenn sie schon einen ausformulierten Beschlussantrag stellen und dafür auch Unterschriften sammeln (mindestens 300 Unterschriften sind in Jena für einen solchen Antrag notwendig), dann gehen sie auch davon aus, dass dieser Antrag in den Stadtrat kommt und zumindest debattiert wird. Falls die Thüringer Kommunalordnung an der Stelle nicht ganz eindeutig sein sollte und Lücken hat, die eine andere Vorgehensweise zulassen, dann sollte dies ein einer kommenden Überarbeitung auf jeden Fall geändert werden.
