Der Klimaaktionsplan für Jena ist leider nach wie vor nicht veröffentlicht, aber bei der Vorstellung und Diskussion des Planes gab es in Sachen Fernwärme eine interessante Entwicklung: zukünftig soll Flussthermie das Gaskraftwerk ersetzen.
Hintergrund für die Diskussion ist das Ziel von Jena, bis 2035 klimaneutral zu werden. Die Fernwärme hat daran einen großen Anteil, denn immerhin entsteht durch die Fernwärme etwa ein CO2 Ausstoß von 58.800 Tonnen im Jahr (Energiemonitoring Jena 2021). Das sind 12 Prozent der Co2 Emissionen von ganz Jena und muss daher bis 2035 deutlich gesenkt oder besser noch ganz reduziert werden. Mit Flussthermie soll statt der Gasverstromung und der Nutzung der Abwärme als Fernwärme die Saale als Energiequelle genutzt werden.
Wie funktioniert Flussthermie?
Die Flussthermie oder auch Seethermie ist vergleichsweise neu und daher gibt es bisher recht wenige Informationen zu dieser Technik. Generell funktioniert sie aber wie eine Luft-Wärmepumpe oder auch Geothermie – es werden in dem Fall eben die Temperaturunterschiede im Gewässer ausgenutzt bzw die Energie aus dem Gewässen entnommen. Im Energiekonzept Mitteldeutschland heißt es als Erklärung:
Dabei wird Oberflächengewässern Wasser an einem Punkt entnommen und durch einen Wärmetauscher geleitet, wo es um wenige Grad abgekühlt wird. Danach wird es wieder in das Gewässer eingeleitet. Im Sommer kann dieser Kreislauf
auch – ähnlich wie bei einer Wärmepumpe – umgekehrt werden, um Räume zu kühlen. Mittels Großwärmepumpen wird die Temperatur noch weiter angehoben, sodass es in geeignete Nah- und Fernwärmenetze eingespeist werden kann.
Bei Jena-GEOS hatte man für Leipziger Seen noch eine spezielle Form dieses Verfahrens untersucht. Unter dem Namen Vakuum-Flüssigeis-Technologie wird dabei das Seewasser verdampft und darüber dann die Energie entzogen. Man schreibt dazu:
Mit diesem Verfahren wird dem entnommenem Seewasser auf intelligente und energiesparende Weise Wärme entzogen. In der Anlage erfolgt eine Direktverdampfung, bei der das Seewasser gleichzeitig als Kältemittel dient. Der Wasserdampf ist Träger der dem Seewasser entzogenen Wärme. Er wird vom Verdichter auf ein höheres Druckniveau komprimiert und gibt auf einem höheren Temperaturniveau die Wärme ab. Diese wird zur Belieferung von Primär- und Sekundärkreisläufen (‚kalte intelligente Netze‘) für die drei am Seeufer entstehenden Dörfer des Quartieres verwendet. Das entwärmte Wasser wird mit einer geringfügig niedrigeren Temperatur und im Winter mit einem gewissen Eisanteil in den See zurückgeführt
Das System funktioniert auch mit kaltem Wasser, wäre daher auch im Winter geeignet, um Energie zu gewinnen. Es gibt also mittlerweile einige Möglichkeiten, diese Form der Wärmepumpe in Gewässern umzusetzen.
Wie plausibel ist die Flussthemie als Energiequelle?
Als Alternative für die bisherige Fernwärme kommt Flussthermie aber natürlich nur in Frage, wenn damit zuverlässig und stabil die Versorgung der Haushalte in Jena gewährleistet werden kann. Bisher gibt es keine Anlagen in Deutschland, die tatsächlich Erfahrungswerte liefern könnten – es werden aber Testanlagen aufgebaut. Ob man in etwas mehr als 10 Jahren eine komplett neue Technologie für eine Großstadt einsetzen kann, scheint daher zumindest sportlich geplant.
Das Energiepotential scheint zumindest in der Saale vorhanden. JENA-GEOS hat das Potential der Saale für diese Energieform untersucht und kommt auch fast 130 MW aus der Saale am südlichen Stadtrat. Das Heizkraftwerk in Winzerla hat eine Leistung von 225 MW (thermisch). Es bliebe also eine gewisse Versorgungslücke, die man aber mit anderen Maßnahmen schließen kann. Dazu ist dieses theoretische Potential natürlich auch von einigen Bedingungen abhängig. Wenn im Winter die Saale zufriert oder niedrige Stände aufweist, muss natürlich dennoch die Wärmeversorgung in Jena sichergestellt werden.
Eine weitere Frage ist, wie stark die Auswirkungen auf die Umwelt sind. Die Entnahme von Energie aus der Saale kühlt den Fluss ab und senkt auch etwas den Sauerstoffgehalt im Gewässer. In der Untersuchung bei Leipzig kam JENA-GEOS aber zu keinen nennenswerten Auswirkungen auf die Umwelt. Im Bericht heißt es dazu:
Entsprechend wissenschaftlicher Erkenntnisse und darauf basierender gesetzlicher Vorgaben ist bei Temperaturveränderungen von weniger als 1 K und bei Gewährleistung einer Mindestsauerstoffkonzentration von 6 mg/l nicht von nachteiligen Auswirkungen auf die Lebensgemeinschaften in Gewässern auszugehen.
Durch limnophysikalische Modellierungen konnte für verschiedene Bereiche in unterschiedlicher Entfernung von der Rückleitstelle des zur Wärmegewinnung entnommenen Wassers nachgewiesen werden, dass es durch einen Wärmepumpenbetrieb in der vorgesehenen Dimensionierung im Zwenkauer See zu keiner Zeit zu einer Temperaturveränderung von 1 K oder darüber kommt. In über 95 % des Jahresverlaufs liegen die maximalen lokalen Temperaturveränderungen unter 0,25 K. Die Verminderungen der Sauerstoffkonzentrationen erreichen im Einleitungsbereich temporär und lokal maximal 0,6 mg/l. Aufgrund der stets hohen Sauerstoffkonzentrationen im Bereich der Einleitstelle wird eine als kritisch anzusehende Sauerstoffkonzentration zu keiner Zeit annähernd erreicht.
Ob sich das in einem Fließgewässer auch so darstellt, müsste man wohl noch näher untersuchen. Dazu ist die Frage, was passiert, wenn weitere Städte an der Saale auf diese Technik setzen. Kumulieren dann die Auswirkungen auf die Umwelt und haben Städte, die zuerst gebaut haben, dann einfach den Vorteil eines First Movers?
Generell scheint Flussthermie daher eine spannende Form, Energie ohne größere CO2 Ausstoß zu erzeugen, die Frage dazu sind aber noch sehr vielfältig und die Untersuchungen vor einer Umsetzung dürften nicht ganz einfach werden. Es gibt einige Punkte, an denen so ein Projekt auch scheitern kann. Daher ist es vielleicht eine gute Idee, nicht nur auf die Flussthermie zu setzen, wenn es darum geht, die Fernwärme in Jena in eine grüne Fernwärme umzuwandeln, sondern auch noch Alternativen in der Hinterhand zu haben. Darüber hinaus ist der Umsetzungsrahmen bis 2035 für so ein Projekt durchaus knapp. Es braucht also recht schnell einen verbindlichen Zeitplan und strenge Kontrollen, dass der Zeitrahmen auch eingehalten wird.
Den Entwurf des Kliamaktionplanes gibt es hier: https://drive.google.com/file/d/13XjMO165HltGWgEarbgNHGIBNsTf1Vwv/view
HINWEIS: Im Entwurf des KAP scheint die Flussthermie noch nicht mit enthalten zu sein, zur Vorstellung des KAP wurde sie aber explizit mit erwähnt.
Waermepumpen brauchen elektrische Energie im Verhältnis 4:1, 4kWh thermische Energie erfordern den Einsatz von 1 kWh elektrischer Energie. Die Effizienz steigt etwas mit geringerer Temperaturdifferenz, Wassertemperaturen um den Gefrierpunk beim Saalewasser, sind auf jeden Fall besser, als Lufttemperaturen im Minusbereich. Wasser zu nutzen ist also eine gute Idee, allerdings wird bei Nutzung der Saale der Speichereffekt des Wassers nicht verwertet, das gekühlte (im Winter) oder erwärmte (im Sommer) Wasser wird einfach flussabwärts weitergereicht. Besser wäre es Wasser zu speichern, es im Sommer beim Betrieb von Klimaanlagen (Wärmepumpen) aufzuheizen und dann im Winter das erwärmte Wasser zu nutzen. Das ginge evtl. tiefer im Untergrund, ob das geologisch in Jena möglich ist, müsste untersucht werden.
Mit durch Kohle, Gas oder (am schlimmsten), durch Windkraft erzeugter Elektroenergie wird hier der Teufel mit dem Belzbub ausgetrieben. Umweltschonend wären beim jetzigen Stand der Erkenntnisse, PV oder Kernkraft, PV allerdings ist eben im Standort Deutschland nur zyklisch nutzbar. In jedem Falle erfordert eine Wärmepumpenanlage dieser Größenordnung hohe Investitionen, woher soll das kommen. Dann stellt sich die Frage wie diese thermische Energie dann verteilt werden soll, Dampf ist durch die hohe Vorlauftemperatur undiskutabel, es bleibt also nur Wasser als Medium oder man verzichtet gleich auf eine zentrale Anlage.
Also doch Kleinkernkraftwerk mit Nutzung der Abwärme?