In den Berichtsvorlagen des Stadtrates hatte es sich schon angekündigt, nun gibt es mit der SPD auch die erste Partei, die sich öffentlich dahinter stellt: nach mehreren Jahren konsequenter Entschuldung der Stadt könnte es wieder zu neuen Schulden und damit zu einer Aufweichung des Neuverschuldungsverbotes kommen. Tatsächlich fehlen in den nächsten Jahren (vor allem ab 2019) Gelder für Investitionen. Die Wünsche der Stadt mit Stadion-Neubau, Deutschem Optischen Museeum und anderen Projekten sind größer, als es der Haushalt her gibt. Da ist der einfachste Weg, neue Schulden zu machen, um diese Wünsche zu realisieren. Vor allem, weil die Zinsen derzeit ja wirklich günstig sind.
Sparen in guten Zeiten
Das Argument der guten Zinssätze ist aber ein Trugschluss. Gerade im kommunalen Bereich werden Schulden nicht nur kurz- oder mittelfristig aufgenommen. Stattdessen belasten sie die Stadt auf lange Zeit und es ist abzusehen, dass die Zinsen wieder steigen werden. Janet Yellen, Chefin der US-Notenbank, hat bereits für die USA die Zinssätze erhöht und für 2017 weitere Änderungen angekündigt. Andere Staaten werden da sicher folgen und das wird auch an Deutschland nicht einfach vorüber gehen.
Dazu gibt es noch einen weiteren Punkt: Normalerweise versuchen Kommunen, in guten wirtschaftlichen Zeiten Schulden abzubauen. Das macht derzeit auch Jena und es ist sinnvoll, denn dies schafft Spielräume, die in Zeiten von Krisen genutzt werden können. Neue Schulden bedeuten dagegen nicht nur, dass man jetzt Geld ausgibt, dass man in den nächsten Jahren erst erwirtschaften muss, sondern auch, dass man sich Spielräume nimmt, auf Einbrüche bei der Konjunktur und der Wirtschaft zu reagieren.
Geld ist genug da
Tatsächlich wären an sich keine neuen Schulden notwendig. Die Stadt hat zum Ende des Jahres 2016 voraussichtlich einen Kontostand von etwa 43 Millionen Euro. Das reicht locker um die genannten Verkehrsprojekte, ein Stadion und eine Schwimmhalle zu bauen. Allerdings sind diese Gelder bereits verplant um die hohe Ausgaben der Stadt zu decken. Die Haushaltspläne sind schon seit Jahren nicht ausgeglichen und leben von Einmaleffekten, Gebühren- und Steuererhöhungen und diesen Reserven.
Einsparungen bei den Leistungen, die möglicherweise die Ausgaben senken würden, wurden dagegen kaum angegangen – und wenn dann meistens im sozialen Bereich. Die Mehrheit im Stadtrat hat sich der Diskussion, darüber, was eine Stadt wie Jena für die Bürger leisten soll (zusätzlich zu den gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen) komplett verweigert. Die meisten Politiker haben in diesem Bereich ihre Hausaufgaben nicht gemacht und es stattdessen der Verwaltung überlassen, mit den vorhandenen Mitteln noch einigermaßen genehmigungsfähige Haushalte zu erstellen. Über Ausgaben und deren Sinn zu diskutieren ist wenig prestigträchtig, weil man wahrscheinlich nur Gelder wegnehmen kann. Daher sucht man lieber andere Möglichkeiten, wie eben billiges neues Geld aus Schulden.
Diese Entwicklung bedeutet im Klartext, dass Jena 2017 voraussichtlich 7,65 Millionen Euro weniger Erträge als Aufwendungen hat und in 2018 übersteigen die Erträge die Aufwendungen sogar um 10,6 Millionen Euro. Und selbst vor diesem wird in der Politik kaum darüber debattiert, wie man substanziell die Ausgaben in den Griff bekommen könnte. Sparen ist nicht angesagt, stattdessen ist bereits die nächste Erhöhung der Grundsteuer eingeplant: 2020 soll der Hebesatz nochmal um 100 Prozentpunkte angehoben werden.
Mit einer verantwortungsvollen Haushaltspolitik seitens des Stadtrates wären daher sowohl die 7 Millionen 2017 und auch die 10 Millionen 2018 jetzt frei, um andere Projekte damit zu finanzieren – ohne Schulden zu machen.
Im Übrigen hat Jena inklusive der Eigenbetriebe nach wie vor einen Schuldenstand von mehr als 44 Millionen Euro. Pro Kopf hat also jeder Einwohner 440 Euro Schulden mit zu tragen. Von einer kompletten Entschuldung sind wir also noch weit entfernt.