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Thüringen – mehr oder weniger Schulden – was stimmt?

Nach Angaben der Landesregierung baut Thüringen derzeit Schulden ab und verringert damit den Schuldenberg, der sich über Jahre im Freistaat angehäuft hat. Demgegenüber steht eine Meldung des Statistischen Bundesamtes, dass die öffentlichen Haushalte auch der Länder untersucht hat und für 2017 (Stichtag 31.12.2017) einen Anstieg der Schulden im Freistaat um 3,5 Prozent konstatiert.

So schreibt man beim Statistischen Bundesamt:

Einen noch stärkeren Rückgang erreichten die Länder: Der Schuldenstand nahm um 3,7 % beziehungsweise 22,5 Milliarden Euro auf 586,2 Milliarden Euro ab. Die meisten Länder konnten ihre Verschuldung abbauen. Prozentual besonders stark sank sie dabei in Sachsen (-16,0 %), Baden-Württemberg (-13,0 %) und Bayern (-12,7 %). Entgegen der allgemeinen Tendenz erhöhten sich die Schulden in drei Ländern: Hamburg (+4,6 %), Thüringen (+3,5 %) sowie Sachsen-Anhalt (+2,2 %). Ein wesentlicher Grund in Hamburg waren Schuldenaufnahmen im Zusammenhang mit dem Komplex um die HSH Nordbank.

Für die Bürger bleibt damit natürlich die Frage, welcher Wert denn nun stimmt. Hat Thüringen Schulden abgebaut oder gibt es mittlerweile mehr Schulden als in den letzten Jahren?

Unterschiedlicher Begriff Schulden

Tatsächlich haben sowohl die Landesregierung als auch das Statistische Landesamt recht. Sie gehen allerdings von anderen Grundlagen aus, daher sind auch die Ergebnisse unterschiedlich und wenig vergleichbar. Die Landesregierung und auch das Finanzministerium verwenden einen haushalterischen Schuldenbegriff. Es wird also das Haushaltsjahr betrachtet und in diesem Jahr müssen Einnahmen und Ausgaben im besten Falle deckungsgleich sein (oder sogar die Einnahmen höher), so dass keine neue Schulden aufgenommen werden müssen. Das Statistische Landesamt nutzt dagegen einen Stichtag und berechnet für diesen Tag (in dem Fall der 31.12.2017) welche Kredite vorhanden waren. Das bedeutet aber auch, dass kurzfristige Kredite und Umschuldungen mit ein berechnet werden, die sich im Haushaltsjahr wieder ausgleichen würden. Konkret gibt es zwei Punkte, die im Haushaltsjahr kurzfristig dazu führen können, dass sich die Schulden an einem Stichtag erhöhen können:

  • Kassenkredite: Steuereinnahmen und Ausgaben sind oft nicht zeitgleich. Viele Steuern werden erst zur Jahresmitte oder dem Jahresende gezahlt, Ausgabe fallen dagegen auch schon am Anfang des Jahres an. Daher müssen die Behörden oft auf sogenannte Kassenkredite zur Überbrückung zurück greifen, damit Ausgaben getätigt werden können. Mit dem privaten Bereich verglichen könnte man sich vorstellen, dass die Waschmaschine in der Mitte des Monats kaputt geht, man aber den Lohn erst am Ende des Monats ausgezahlt bekommt. Für den restlichen Monat kann man dann also entweder darauf verzichten, Wäsche zu waschen oder man nutzt einen Dispokredit zur Überbrückung.
  • Umschuldungen: Die Schulden des Freistaates sind nicht ein Kredit, sondern bestehen aus vielen kleineren Krediten bei unterschiedlichen Schuldnern und mit unterschiedlichen Laufzeiten. In jedem Jahr werden einige dieser Kredite fällig und müssen refinanziert werden. Diese Refinanzierung erfolgt dabei vor der Fälligkeit der alten Kredite damit Geld zur Verfügung steht um die alten Kredite zu tilgen. Es gibt also Übergangszeiten, in denen es bereits den neuen Kredit gibt, der alte über noch nicht getilgt ist und die Schulden damit doppelt bestehen. Das ist aber wirklich nur für Übergangszeiten gedacht.

Konkret bedeutet dies, dass es zum Stichtagen durchaus dazu kommen kann, dass es mehr Schulden als im Vorjahr gibt. Auf das gesamte Haushaltsjahr gesehen müssen sich diese Schulden aber wieder amortisieren (und taten dies 2017 auch). Auch wenn es also zwischenzeitlich höhere Kreditsummen gibt, hat Thüringen also im Haushaltsjahr 2017 keine neue Schulden gemacht, sondern sogar etwa 415 Millionen Schulden zurück geführt.

Auch kurzfristige Schuldenerhöhungen unterliegen rechtlichen Rahmenbedingungen

Die Behörden sind aber auch bei diesen kurzfristigen Krediterhöhungen und Kreditaufnahmen nicht frei in ihren Entscheidungen, sondern der Landtag hat über das sogenannte Haushaltsgesetz die Rahmenbedingungen fest gelegt. Darin ist unter anderem fest gelegt, dass der kassenmäßige Haushalt von Thüringen im jeweiligen Haushaltsjahr ausgeglichen zu sein hat.

Für Kassenkredite ist im Gesetz zum Landeshaushalt fest gelegt:

Das für Finanzen zuständige Ministerium wird ermächtigt, zur Verstärkung der Betriebsmittel jeweils kurzfristige Kredite (Kassenkredite) bis zur Höhe von 12 vom Hundert des in § 1 für das jeweilige Haushaltsjahr festgestellten Betrags aufzunehmen. Zusätzlich zu diesen Kassenkrediten darf es in den Haushaltsjahren 2018 und 2019 zur Deckung eines nicht vorhergesehenen Liquiditätsbedarfs Termingeschäfte mit Kreditinstituten jeweils bis zu einem Betrag von 100 Millionen Euro abschließen.

Die Höhe der Kassenkredite ist damit gesetzlich begrenzt und dazu gilt die Ausgleichspflicht – Kassenkredite müssen also zurückgeführt werden und zwar im jeweiligen Haushaltsjahr. Dies gilt auch für die Umschuldung. Im Haushaltsgesetz ist festgelegt, welche Kredite in welcher Höhe umzuschulden sind. Das sind beispielsweise im aktuellen Haushalt:

  • 1.429.258.400 Euro Umschuldung für 2018
  • 1.888.000.000 Euro Umschuldung für 2019

Dabei darf das Finanzministerium bereits ab Oktober des Vorjahres Kredite umschulden, die erst im nächsten Jahr fällig werden. In der Zeit kann es also zu einer kurzfristigen doppelten Belastung durch die jeweiligen Kredite kommen – auch die hat der Landtag vorher so beschlossen.

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