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Die Boeckler-Studie – was der Oberbürgermeister alles nicht erwähnt hat

Im gestrigen Stadtrat gab es eine Anfrage zum Thema Mietpreise und unter anderem hat auch der Oberbürgermeister zu diesem Thema geantwortet. Er hat einen einzelnen Punkt aus einer Studie der Boeckler Stiftung heraus gegriffen und diese präsentiert, allerdings ohne auf die anderen Punkte einzugehen oder diesen Punkt im Kontext einzuordnen. Dabei ging es um die Mietpreise in Jena, die sich aber natürlich kaum betrachten lassen ohne auch die Wohnfläche anzugeben, die man für diesen Mietpreis bekommt. Daher habe ich hier nochmal den Kontext der Werte zusammen gestellt und auch die Punkte beleuchtet, bei denen Jena beim Wohnen im bundesdeutschen Vergleich nicht gut abschneidet (und das sind leider einige).

Die komplette Studie gibt es hier zum Nachlesen: Wohnverhältnisse in Deutschland

Jena: Wenig Wohnfläche pro Einwohner

Ein wichtiger Punkt, den man beim Vergleich deutscher Großstädte beachten sollte, ist die Wohnfläche pro Person, die in den jeweiligen Städten zur Verfügung steht. Jena liegt dabei bei den verglichenen auf dem vorletzten Platz, jeder Einwohner hat hier nur etwa 35 Quadratmeter zur Verfügung – in den besten Städten im Vergleich sind es pro Einwohner etwa 10 bis teilweise sogar 15 Quadratmeter mehr. Jenaer leben also auf vergleichsweise wenig Raum oder umgekehrt: wer aus Jena weg zieht, hat fast überall in Deutschland mehr Platz.

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Wohnungen für Ein-Personenhaushalten. Hier finden sich neben Studenten und Singles auch oft Rentner. Auch hier liegt Jena im bundesdeutschen Vergleich auf den hinteren Rängen  mit vergleichsweise kleinen Wohnflächen für diese Bevölkerungsgruppe. Im Durchschnitt haben diese Haushalt nur etwas mehr als 56 Quadratmeter zur Verfügung – in anderen Städten gibt es hier 10 bis 20 Quadratmeter mehr.

Wenig Raum für Familien

Dieser Trend setzt sich fort bei der Betrachtung von großen Wohnungen, wobei die Boeckler-Studie hier von Wohnungen mit 135 Quadratmetern oder mehr ausgeht. Solche Wohnungen sind vor allem für Familien mit vielen Kindern interessant, die mehrere Zimmer und mehr Platz brauchen. Auch hier liegt Jena auf den hinteren Plätzen, von allen Wohnungen in der Stadt sind gerade einmal 4,8 Prozent große Wohnungen in diesem Bereich. In anderen Städten liegen diese Zahlen doppelt bis dreimal so hoch – dort gibt es also deutlich mehr passenden Wohnraum für größere Familien.

Moderate Mietbelastung bei den Bestandsmieten

Der angesprochene Wert, den der Oberbürgermeister zitiert hat, findet sich in Tabelle 31 und gibt an, wieviel Prozent des Nettoeinkommens für die Miete im Durchschnitt aufgewendet wird. Das sind bei Jena 22,8 Prozent und damit liegt die Stadt im bundesdeutschen Vergleich unter den 10 günstigsten Großstädten. Das hört sich erstmal gut an, man sollte dabei aber die Zahlen von oben beachten. Jenaer haben im Durchschnitt 10 bis 15 Quadratmeter weniger Wohnraum zur Verfügung im Vergleich mit anderen Großstädten. Die geringe Belastung kommt also auch daher, dass viele Haushalte in eigentlich zu kleinen Wohnungen leben, aber nicht umziehen können, weil es keine größeren Wohnungen gibt, die vergleichbare Quadratmeterpreise hätten.

Einen anderen Bereich, den der Oberbürgermeister wohlweislich nicht mit aufgeführt hat, ist die Belastung von Haushalten, die unterhalb der Armutsgrenze liegen. Diese müssen mehr als 30 Prozent ihres Einkommens aufwenden (also mehr als 10 Prozent mehr als der Durchschnitt), um die Miete zahlen zu können. Auch das ist im Vergleich mit anderen Städten noch niedrig, zeigt aber deutlich, wie ungleich die Mietbelastung in der Stadt verteilt ist. Auch hier muss man wieder im Hinterkopf behalten, das die Einwohner deutlich weniger Wohnfläche für dieses Geld bekommen – die niedrige Belastung resultiert also auch daher, dass viele Jenaer in zu kleinen Wohnungen wohnen.

Zu den Mietpreisen sollte man dazu noch zwei Punkte im Hinterkopf behalten. Die Zahlen beziehen sich in erster Linie auf die Daten des Zensus 2014. Mittlerweile sind bereits zwei Mietspiegelerhöhungen darüber gegangen mit Erhöhungen teilweise von über 10 Prozent. Die Zahlen liegen mittlerweile also wahrscheinlich höher. Dazu kommt, das im Zensur nur die Bestandsmieten abgefragt werden und damit auch Altmieten. Die Angebotsmieten (also das, was ein neuer Mieter zahlen müsste) liegen deutlich darüber und daher sind die Belastungen für neue Jenaer und Einwohner, die umziehen wollen, in der Regel noch mal höher.

Hinweis: die Tabellen stammen direkt aus der Studie,

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