In den Monaten März bis Mai 2020 gab es die erste Corona-Welle in Deutschland und weltweit. Auch in Jena kam der Virus an und sorgte für viele Infizierte und viele Maßnahmen und Umstellungen im privaten und öffentlichen Leben. Vieles davon ist noch aktiv in Erinnerung, aber viele Punkte hat man auch bereits wieder vergessen oder anders eingeordnet. Ich will daher hier versuchen, die ersten Wochen der Pandemie in Jena nachzuzeichnen und zu zeigen, wie die erste Welle verlaufen ist.
Grundlage für diesen Artikel sind dabei neben meinen eigenen Aufzeichnungen vor allem die Protokolle der Stadtverwaltung, die nach einer Klage von Achim Friedland erstellt und veröffentlicht wurden. Dazu sind die Corona Allgemeinverfügungen der Stadt nach wie vor online und damit nachvollziehbar.
Februar 2020: WHO ruft den gesundheitlichen Notstand aus
Am 28. Februar 2020 hatte die WHO den gesundheitlichen Notstand in Bezug auf den Corona-Virus ausgerufen und damit begann auch in Jena die Arbeit der Behörden. Der Krisenstab wurde gegründet und mit der zweiten Sitzung am 5.3. 2020 wurden erste Zahlen genannt. Deutschlandweit gab es zu diesem Zeitpunkt 349 SARS-CoV-2 Fälle, aber in Jena waren zu diesem Zeitpunkt noch keine betätigen Fälle aufgetreten. Es gab aber bereits die ersten Kontaktpersonen, die in Quarantäne gehen mussten.
- 12.03.2020: keine Erkrankten, aber 84 Personen in Quarantäne, davon 70 Reiserückkehrer sowie 20 Kontaktpersonen zu Erkrankten
- 15.03.2020: 9 bestätigte Erkrankte in Jena
- 16.03.2020: 12 bestätigte Erkrankte in Jena
- 17.03.2020: insgesamt 20 bestätigte Infizierte in der Stadt
- 18.03.2020: Gesamtzahl der bestätigten Fälle nunmehr 29
- 19.03.2020: Gesamtzahl der bestätigten Fälle nunmehr 45
- 20.03.2020: erster Todesfall in Zusammenhang mit Covid in Jena – danach endet die Angabe der Fallzahlen in den Protokollen der Stadt
- 29.03.2020: 114 Fälle
- 06.04.2020: 145 Infizierte
Vor allem in den ersten Tagen im März sieht man eine sehr massiven Anstieg bei den Fallzahlen und daher gab es auch relativ schnell Maßnahmen seitens der Verwaltung.
10. März 2020 – die erste Allgemeinverfügung wird erlassen
Die Stadtverwaltung reagiert bereits am 10. März mit einer ersten Allgemeinverfügung auf die Corona-Situation und ordnete unter anderem Quarantäne für Kontaktpersonen und Reiserückkehrer an. Dazu wurden größere Veranstaltungen (über 500 Personen) untersagt.
Bereits am 13.03.2020 gab es dann eine weitere Maßnahme per Allgemeinverfügung: Kitas und Schulen wurden ab 17. März geschlossen und auch der Schulverkehr eingestellt. Dazu wurde eine Notbetreuung organisiert. Ab 17. März waren also alle Kitas und Schulen in der Stadt geschlossen und im Notbetrieb. In diesem Zusammenhang wurde auch der Begriff „systemrelevante Berufen“ formuliert. Kinder mt Eltern, die in diesem Berufen arbeiteten, durften in die Notbetreuung, alle anderen musste zu Hause betreut werden. Entsprechende Antragsformblätter wurden erstellt. Die Schließung von Schulen und Kitas wurde bis Anfang Mai (Schulen) bzw. bis Ende Mai (Kitas) aufrecht erhalten.
Am 16.03.2020 wurden dazu auch zum ersten Mal die Spielplätze und Sportstätten der Stadt geschlossen. Eine Allgemeinverfügung dazu gab es nicht.
Am 18. März gab es dann eine weitere Allgemeinverfügung, mit der die Schließung von Verkaufsstellen und Veranstaltungs- und Freizeiteinrichtungen angeordnet wurde. Alle Geschäfte, die nicht direkt dem täglichen Bedarf zugeordnet wurden, waren zu schließen. Diese Verordnung trat ab 20. März in Kraft.
In den Protokollen ist dazu festgehalten, dass ab dem 18. März die rechtlichen Rahmenbedingungen einer Ausgangssperre geprüft wurden. Im Krisenstab wurde das mehrfach diskutiert (Kreis der Ausnahmefälle, Ressourcen für Umsetzung), aber dann wohl doch nicht umgesetzt.
Am 25. März wurden dann auch ein neuer Fahrplan für den Nahverkehr in Kraft gesetzt. Busse und Bahnen verkehrten ab da nur noch im 30-Minuten- bzw. 60-Minuten-Takt. Dieser neue Fahrplan wurde aber nur wenige Tage aufrecht erhalten. Bereits Anfang April kehrt man wieder zum Ferienfahrplan zurück (allerdings mit strenger Absonderung der Fahrer). In Bussen wurde beispielsweise die vordere Tür geschlossen gehalten, damit die Fahrgäste nicht in die Nähe des Fahrers kamen.
Am 30.03.2020 kam dann die neue Allgemeinverfügung mit der Einführung der Mund-Nasen-Schutz-Pflicht. Diese wurde Schrittweise umgesetzt:
- ab 02.04.20: Dienstleistungen (bei Abstand weniger 1,50 m)
- ab 06.04.20: ÖPNV, Einzelhandel
- ab 10.04.20: in Unternehmen (mehr als eine Person, sofern Raum kleiner 20qm und Abstand weniger 1,50 m)
Zum Schutz reicht zu diesem Zeitpunkt aber eine einfache Bedeckung, eine Maske war nicht notwendig. Es gab zu diesem Zeitpunkt auch bereits im Eilverfahren Gerichtsentscheidungen dazu, die auf Grundlage der Empfehlungen des RKI diese Pflicht bestätigten. Am 3. April startet dazu die Aktion „Bürger nähen für Bürger“, mit der per Kampagne die Bürger aufgefordert wurden, eigene Maske zu nähen. Ab dem 23.04.2020 wurde diese Pflicht dann durch die Rechtsverordnung des Landes für ganz Thüringen geregelt.
Ab Mitte April 2020 gab es dann Rechtsverordnungen des Landes, die viele Regelungen in Jena Schrittweise ersetzten, dazu klang die erste Welle langsam aus, so dass viele Einschränkungen zurückgenommen werden konnten.
Nicht in den Protokollen: die Bank-Hinweise
Spannend ist in diesem Zusammenhang auch, welche Corona-Maßnahmen sich nicht in den Protokollen des Krisenstabes wiederfinden. Mitte April wurden beispielsweise ALLE(!) Bänke in Jena mit Warnhinweisen ausgestattet. In einem ersten Durchgang wurden alle Banken mit Verbotsschildern ausgestattet, mit denen man die Benutzung untersagte. In einem zweiten Durchgang wurden die Verbotsschilder dann mit Warnhinweise ersetzt, die auf den Abstand hinwiesen. Diese Maßnahme scheint nicht vom Krisenstab angeordnet gewesen zu sein.
Später wurden dann auch nochmal alle Ampeltaster abgeklebt und das wieder entfernt.